Jacques Naegeli

Am 19. Februar 1885 als Sohn von Maximilian Jakob und Emma Naegeli-Widmer in Altnau am Bodensee geboren, interessiert sich Jacques Naegeli schon früh für die Photographie. Er macht die Lehre bei Photograph Wegmann in Romanshorn und arbeitet dann beim Porträtphotographen Beerli in Olten (1905). Um Französisch zu lernen, nimmt er bald eine Stelle bei A. Werner in La Chaux-de-Fonds an. Später ist er während zweier Jahre in einem Photoatelier in Tunis tätig. Es folgen weitere Stationen photographischer Tätigkeit in Pau, Orléans, Lourdes, London und Irland.

1912 kehrt Naegeli in die Schweiz zurück und arbeitet während der Wintersaison bei Walter Nehrkorn in Grindelwald. Dort lernt er seine künftige Frau, Anna Bütschi aus Reutigen, kennen. In dieser Zeit wird er von Arnold Perrot kontaktiert. Dieser ist Inhaber einer bekannten Bieler Handelsfirma für Photoartikel. Er legt ihm nahe, Gstaad als Standort für ein eigenes Geschäft zu prüfen.

Naegeli folgt Perrots Rat und geht nach Gstaad, wo er während einer Saison die Filiale Gstaad des Cabinet Photo P. Braun (Bürgenstock) führt. Der Zeitpunkt für den Sprung in die Selbständigkeit scheint ideal, unter anderem entsteht gerade das «Gstaad Palace». Mit finanzieller Unterstützung seiner Mutter kauft er ein Grundstück vom Hotelier Adolf von Siebenthal (Bernerhof) und baut sich ein Haus mit Photoladen und Atelier.

Seinem Geschäft gibt er zuerst den Namen «Photo-Suisse», später «Photo-Haus J. Naegeli». Nur zwei Tage nach der Eröffnung bricht der Erste Weltkrieg aus. Naegeli deponiert den Hausschlüssel im Hotel Bernerhof und rückt ein. Während der Grenzbesetzung ist er für fünf Monate im Kanton Graubünden stationiert. 1917 heiraten Jacques Naegeli und Anna Bütschi. Die beiden haben zwei Töchter, Anna (1917) und Gertrud (1919).

Nach dem Ersten Weltkrieg erwirbt Naegeli an der Technischen Messe Leipzig eine komplette 35-mm-Filmausrüstung mit Aufnahmeapparaten, Entwicklungsgerät, Kopiermaschine und Projektionsapparat. Die Waschküche wird zum Filmlabor umfunktioniert, zur Instruktion vor Ort ein Techniker engagiert.

1920 dreht er seinen ersten Film mit dem Titel «Die Besteigung des Geltenhorns». Später nimmt er mit Ferdinand Wehren ein Filmprojekt über die Gastlosen in Angriff. Die Dreharbeiten für den Film werden jedoch auf tragische Weise unterbrochen, als Wehren zusammen mit Christian von Grünigen 1923 am Gordon-Bennett-Ballonwettrennen in Brüssel tödlich verunfallt. Ein Blitzschlag trifft ihren Ballon, was zum Absturz führt. Der Gastlosen-Film bleibt unvollendet.

Das Fernweh packt Naegeli immer wieder. 1926 unternimmt er mit Bäckermeister Adolf von Siebenthal eine Reise nach Tunesien. 1931 bereist er Sizilien, Palästina, Ägypten, Athen, Korfu und die Türkei mit Istanbul und Izmir. Im September 1933 gehts an Bord der «Europa» nach Amerika. Auf seiner zweimonatigen Reise besucht er die Städte New York, Washington, Philadelphia, Chicago und Detroit.

Es folgen weitere Filmprojekte mit «Winter in Gstaad» und «Sommer in Gstaad». Die beiden Propagandafilme werden an der Landesausstellung 1939 in Zürich vorgeführt.

1938, noch vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, reist Naegeli auf dem Seeweg für drei Monate nach Afrika. Nach langer Vorbereitung erfüllt er sich so einen grossen Wunsch. Die Photosafari führt ihn über Ägypten durch den Sudan nach Tanganjika und Kenia.

1939 nimmt Tochter Anna eine Stelle in einem Photogeschäft in Basel an. Als der Zweite Weltkrieg ausbricht, schickt sie der Patron nach Hause. Sie hilft in Haus, Garten und Laden. Schwester Gertrud absolviert eine Lehre beim Porträt- und Architekturphotographen Franz Henn in Bern. Während der Kriegszeit arbeitet auch sie im elterlichen Geschäft, vorab in Labor und Atelier. In der Zwischensaison kümmert sie sich um den Postkartenverlag.

Es gibt viel Arbeit in Gstaad. Hier liegt das Hauptquartier der ersten Division. Viele auswärtige Gäste weilen im Dorf, auch prominente Leute, welche die Schweiz nicht verlassen können. Sie kommen oft ins Atelier, um sich Bilder und Filme anzuschauen oder sich mit Photoartikeln einzudecken.

1941 publiziert Naegeli sein erstes Buch mit dem Titel «Sudan, eine Bilder-Reportage vom Mittelmeer zum Viktoriasee und an den Indischen Ozean». 1943 arbeitet er an einem zweiten Buch: «Mein Saanenland». Dieses geht aber nie in Druck.

Durch das Sudan-Buch wird der Zoologiestudent Charles Albert Walter Guggisberg auf Naegeli aufmerksam. Er kommt nach Gstaad ins Geschäft, um ihn persönlich kennenzulernen. Ab 1947 betreibt Guggisberg am Medical Research Laboratory in Nairobi Studien über die Krankheitsübertragung durch Insekten. Zusammen mit ihm unternimmt Naegeli drei weitere Afrika-Reisen in den Jahren 1949, 1951 und 1954. In dieser Zeit entstehen auch die Filme «Auf Safari zum Naivashasee» und «Beim Grosswild in Afrika».

In Naegelis Abwesenheit wird das Geschäft von seiner Frau und später auch seinen Töchtern geführt. Dank ihnen sind die ausgedehnten Reisen und Bergtouren überhaupt möglich. Nach einem seiner ersten Angestellten, Otto Wyrsch, darf Naegeli während fünfundzwanzig Jahren auf die treuen Dienste des ausserordentlich talentierten Photographen Franz Albert Fäh zählen. Als sich Naegeli 1956 zurückzieht, übernimmt dieser das Geschäft.

Naegeli photographiert noch lange Jahre weiter und bleibt auch im Ruhestand vielseitig engagiert. So als Mitglied des Schweizerischen Bundes für Naturschutz, im Verkehrsverein, im Schweizerischen Photographen Verband, in der Sektion Oldenhorn des Schweizer Alpen-Clubs, im Männerchor und im Skiklub.

«Meine Religion ist es, in der Natur zu sein», so der Wortlaut seiner Philosophie. Naegeli verbringt bis ins hohe Alter viel Zeit auf dem Berg, zuletzt dann noch, um Wild zu «spiegeln». Am 23. Mai 1971 stirbt er ein paar Monate nach dem Tod seiner Frau Anna (26. August 1970).

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